„So sitzen wir da
jeder in seiner Rüstung
aus dem was er hat
und dem was er kann
und darunter
da schlagen verloren die Herzen
wollen sich berühren
aber kommen nicht ran.“
– Max Prosa
Zum tieferen Verständnis empfehle ich, die vorherigen Blogbeiträge zur Inneren-Kind-Arbeit zu lesen …
Wenn das innere Kind zu heilen beginnt
Der Heilung des inneren Kindes geht eine erste Offenbarung voraus:
Das (An-)Erkennen der eigenen Verhaltensmuster als Schutzstrategien des inneren Kindes
So kann es sein, dass Ihnen bewusst wird, dass Sie Konfliktsituationen mit einem hohen Autonomiestreben begegnen und die betreffende Person fortan meiden. So kann es auch sein, dass Sie ein großes Kontrollbedürfnis verspüren und vor dem Verlassen des Hauses mehrmals prüfen müssen, ob Sie den Herd tatsächlich ausgemacht und den Stecker des Bügeleisens gezogen haben. Oder es zeigt sich darin, dass Sie in Streitsituationen das Bedürfnis haben, zu „gewinnen” und deshalb laut und/oder der anderen Person gegenüber verletztend werden, um zu vermeiden, als „Verliererin“ bzw. „Verlierer“ aus dem Konflikt zu gehen.
Mit der ersten Offenbarung innerhalb des Heilungsprozesses geht einher, dass Sie Ihre Verhaltensmuster auf Ihr inneres Kind zurückführen, welches eine Verletzung erfahren hat und mit dem entsprechenden Verhalten versucht, sich zu schützen.
Diese Erkenntnis eröffnet den Raum für eine weitere Offenbarung:
Das Hinterfragen der Notwendigkeit für genau diese kindlichen Schutzstrategien
Aus der Perspektive eines erwachsenen Menschen können Sie sich nun die Frage stellen: Welche dieser Schutzstrategien brauche ich wirklich? Wenn die Wunden unseres inneren Kindes heilen, beginnen wir neu zu entscheiden, welche Schutzstrategien wir tatsächlich benötigen und welche Veränderungen möglich sind, wenn wir sie nicht mehr brauchen.
In dieser Phase ist es sehr wichtig, dass Sie neue Erfahrungen sammeln: Die Erfahrungen eines Erwachsenen mit einem heilenden inneren Kind. So werden Sie nun die Erfahrung machen, dass Sie nach einem Konflikt dasselbe Autonomiebedürfnis verspüren, dieses jedoch nach kurzer Zeit überwinden können, um anschließend in den Kontakt mit der Person zu gehen und anzusprechen, was Sie verletzt hat. Sie werden feststellen, dass Sie das Haus verlassen, ohne dass Sie vorher Herd und Bügeleisen fünfmal überprüft haben. Bei Streitigkeiten verspüren Sie vielleicht noch das Bedürfnis laut und/oder verletzend zu werden, können diesem Drang aber standhalten und Ruhe bewahren, anstatt in der Kommunikation zu eskalieren. Ihr erwachsenes Ich ist nun in der Lage, Ihrem inneren Kind zu sagen, dass alles okay ist und ihm somit Sicherheit zu geben.
Mit jeder dieser neuen Erfahrungen und der genauen Selbstbeobachtung und Ihren Reaktionen kommen Sie mehr und mehr in Ihre Selbstbestimmtheit. Denn die Fremdbestimmung des inneren Kindes über uns als Erwachsene kann immer dann aufhören, wenn wir anerkennen, dass die Verhaltensmuster unseres inneren Kindes gute Gründe hatte, dieses Pflaster nun jedoch immer weniger und weniger benötigt wird. Dieser Lernprozess führt schrittweise zu der nächsten Offenbarung:
Neue Verhaltensweisen statt Schutzstrategien des inneren Kindes anwenden
Offenbarungs- statt Schutzstrategien für unser inneres Kind
Die Schutzstrategien des inneren Kindes sind das, was Max Prosa als „Rüstung“ beschreibt. Innerhalb des Heilungsprozesses des inneren Kindes geht es darum, diese Rüstung Stück für Stück abzulegen, weil diese nun immer seltener gebraucht wird. An die Stelle der Schutzstrategien darf mit einem geheilten inneren Kind eine neue Art des Verhaltens treten: eine Offenbarungsstrategie.
Sie werden die Erfahrung machen, dass wenn Sie Ihre Bedürfnisse äußern, diese ernst genommen werden und Sie bekommen, was Sie sich wünschen. Vielleicht nicht immer, dennoch lernen Sie für sich einzustehen. Vielleicht haben Sie in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass Ihre zwischenmenschlichen Beziehungen oftmals nicht besonders erfüllend, wenn nicht gar schädlich für beide Seite waren. Vermutlich liegt es an den kindlichen Schutzstrategien beider Seiten, die ein tatsächliches Verständnis und damit eine Annäherung so erschweren. Und dass, obwohl wir uns alle nach zwischenmenschlichen Beziehungen und Bindung sehnen, egal ob auf familiärer, partnerschaftlicher, freundschaftlicher oder beruflicher Ebene.
Treten Sie Ihrem Gegenüber nun aber mit einem neuen Verhalten entgegen, das nicht auf dem innerkindlichen Schutzverhalten, sondern auf der neu gefundenen Offenbarungsstrategie beruht, eröffnet sich der Weg zu Verständnis und Empathie füreinander. Wenn Sie sich selbst gut kennen und verstehen, sind Sie in der Lage Ihrem Gegenüber zu erklären, was Sie triggert, was bestimmte Verhaltensweisen des Gegenübers in Ihnen auslösen und was Sie in solchen Momenten stattdessen brauchen bzw. sich wünschen. Sie sind nun viel mehr in der Lage zu erkennen, welche Ihrer früheren Verhaltensweisen nicht immer beziehungsfördernd gewesen waren. Natürlich kann es nun auch passieren, dass Ihre Offenbarungsstrategie auf eine innerkindliche Schutzstrategie in Ihrem Gegenüber trifft. Dann können Sie sich die Frage stellen: Was davon ist tatsächlich mein Thema? Was nehme ich mir an, wovon grenze ich mich ab? Versuchen Sie in solchen Situationen bei sich und Ihrem Heilungsprozess zu bleiben. Und das bedeutet auch, an Ihrer Kommunikation zu arbeiten.
Kommunikation als Schlüssel für ein geheiltes inneres Kind
Denn: Je besser Ihr Gegenüber Sie versteht, desto größer ist die Empathie, mit der er oder sie Ihnen begegnen kann. Anstatt beispielsweise nach einer Konfliktsituation in die Autonomie zu gehen, wie es Ihr verletztes inneres Kind gelernt hat, rückt die Notwendigkeit der Autonomie in solchen Situationen in immer weitere Ferne. Stattdessen eröffnet sich nun der Raum, in den Kontakt mit der Person zu treten und in den heilsamen Austausch darüber zu gelangen.
Möchten Sie sich Ihrem Gegenüber offenbaren, so kann dies besonders erfolgreich geschehen, wenn Sie auf eine liebevolle Art und Weise mittels Ich-Botschaften kommunizieren. Auf diesem Weg können Sie sich mitteilen und verständlich machen.
Eine Ich-Botschaft enthält idealerweise 3 Ebenen:
- Wahrnehmung
Geben Sie wertfrei Ihre Wahrnehmung wieder. Wichtig ist, dass Sie hierbei keine Verallgemeinerungen wie „Nie/Immer machst du…“ anwenden. Bleiben Sie bei Ihrer Perspektive,
z. B.: Ich habe wahrgenommen, dass du mir gerade vor allen anderen gesagt hast, dass ich die Heizung ausmachen soll. - Wirkung
Spiegeln Sie Ihrem Gegenüber nun, welche Wirkung das von Ihnen beobachtete Verhalten auf Sie hatte und begründen Sie diese, wenn möglich. Achten Sie hierbei besonders darauf, dass in Ihrer Mitteilung keine Du-Botschaft liegt (Ich fühle mich schlecht, weil DU das und das gemacht hast.),
z. B.: Auf mich wirkte die Art und Weise sehr dominant. Das hat dazu geführt, dass ich mich klein und still gefühlt habe, weil es mich an früher erinnert hat und wie mir als Kind Dinge gesagt wurden. - Wunsch
Formulieren Sie jetzt einen konkreten, auf die Situation bezogenen Wunsch an Ihr Gegenüber. Dieser Vorschlag sollte unbedingt auf Ihre zuvor beschriebene Wahrnehmung fußen
z. B.: Ich wünsche mir, dass du versuchst, den Tonfall mir gegenüber in Zukunft zu prüfen und mir im Stillen und unter vier Augen zu sagen, was du möchtest, anstatt dies vor anderen zu tun.
Besonders am Anfang kann es eine große Herausforderung sein, klare und liebevolle Ich-Botschaften zu senden.
Seien Sie nachsichtig mit sich, Sie befinden sich auf dem Weg der Heilung. Es ist darüber hinaus nur möglich, eine gute Ich-Botschaft zu formulieren, wenn Sie beobachten können, welche Wirkung ein Verhalten auf Sie wirklich hat. All dies erfordert eine genaue Selbstbeobachtung und ein intensives In-sich-Hineinfühlen. Und doch sind es genau diese Aspekte, die Sie im Heilungsprozess Ihres inneren Kindes weiterbringen. Sind Sie mehr und mehr in der Lage, das eigene Verhalten zu verstehen, können Sie dieses mitteilen. So ermöglichen Sie Ihrem Gegenüber, Verständnis und Liebe für Ihre innerkindlichen Wunden.
Denken Sie daran: Es ist nicht die Aufgabe Ihres Gegenübers, Sie zu verstehen. Vielmehr ist es Ihre Aufgabe, sich selbst zu verstehen und sich dann mitzuteilen.
Innere-Kind-Arbeit ist ein Prozess, der nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt beendet ist. Das Ganze funktioniert eher wie das Schälen einer Zwiebel: Schicht für Schicht. Für jede Schicht dürfen Sie dankbar sein, denn am Ende bleibt Ihr authentisches Ich, das einen klaren Blick auf seine inneren Kind-Anteile hat.
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