„Die Entdeckung des verletzten Kindes in unserem Inneren stellt einen Aufdeckungsprozess dar. Sie entwickeln dabei nicht nur Ihre persönliche Kraft, sondern retten durch das Beschützen des verletzten Kindes in Ihrem Inneren auch seine spirituelle Kraft. Mithilfe dieser neu gewonnenen spirituellen Kraft können Sie Ihre Selbst-Schöpfung beginnen. Das ist Ihre wahre Heimkehr.“
– John Bradshaw
Das, was wir als Kinder erlebt haben, lässt sich nicht ungeschehen machen
Die kindliche Prägung, die Sie als individueller Mensch erfahren haben, legte den Grundstein für die Person, die Sie heute sind – und zwar mit allen Vorzügen und Stärken, aber auch Verletzungen und daraufhin entwickelten Schutzmechanismen. Letztere stellen Sie vermutlich bis heute immer wieder vor schwierige Situationen und Konflikte.
Die gute Nachricht ist: Als erwachsener Mensch können wir unsere komplette Gehirnstruktur nutzen
- um besagte Schutzmechanismen zu erkennen
- ihren Ursachen auf den Grund zu gehen
- diese Muster aufzubrechen
- anschließend neue Strategien zu entwickeln, um mit schwierigen Situationen und Konflikte anders umzugehen.
All dies stellt den von Bradshaw beschriebenen Aufdeckungsprozess dar.
Der Prozess mit dem inneren Kind beginnt
Erkennen Sie erst einmal an, dass Sie als Kind seelische Verletzungen davongetragen haben und dass nicht alles, was Sie erlebt haben gut und richtig für Sie war, wird dem Beginn des Aufdeckungsprozesses der nötige Raum geboten. Denn als erwachsener Mensch haben Sie die Möglichkeit, Ihrem inneren Kind als Teil von Ihnen selbst zu begegnen und bewusst und liebevoll darauf zu reagieren.
Diese Auseinandersetzung mit unserem inneren Kind ermöglicht es überhaupt erst, diese Wunde zu erreichen.
Anstatt die Existenz und damit die bis heute nicht oder kaum gestillten kindlichen Bedürfnisse zu negieren, können Sie nun in den Dialog mit sich selbst gehen. Stoßen Sie wiederholt auf eine Verhaltensweise oder Erfahrung, die Sie (und andere Menschen) belastet, können Sie nun versuchen, eine beobachtende und hinterfragende Perspektive auf das Geschehen einzunehmen. Anstatt sich für das eigene Verhalten zu verurteilen oder dieses zu ignorieren, sagen Sie zu sich selbst und damit zu ihrem inneren Kind:
- „Ich sehe dich.“
- „Das ist ja interessant, dass ich eben so reagiert habe.“
- „Da habe ich nicht so gut reagiert. Woran kann das liegen?“
- „Was steckt hinter meinem Verhalten?“
- „Dass ich mich so verhalte, hat etwas mit meinem inneren Kind zu tun.“
Eigene Verhaltensmuster erkennen
Weil Sie während der Arbeit mit dem inneren Kind lernen, sich selbst besser anzunehmen und die Wunden zu heilen, werden Ihnen im zweiten Schritt all die Schutzstrategien bewusst, die Sie nutzen, um Ihr inneres Kind zu schützen.
Dieses individuelle Verhaltensmuster kann als Symptom verstanden werden, mit denen Menschen zu mir als Coach kommen. Häufig begegnen mir dann bestimmte Handlungsmuster in ganz individueller Ausprägung. Im Coaching-Prozess geht es nun darum, diese zu erkennen und ihnen auf den Grund zu gehen, das heißt, die Ursache für diese kindliche Wunde zu finden.
Schutzstrategien des inneren Kindes und ihre mögliche Ursache
- Hohes Autonomiebedürfnis
Dies ist ein Anzeichen für eine Schutzstrategie Ihres inneren Kindes, ganz nach dem Motto: „Weil ich mich auf keinen Erwachsenen jemals richtig verlassen konnte, verlasse ich mich nur auf mich selbst.“
- Ausgeprägtes Helfersyndrom
Auch dieses Verhaltensmuster kann eine kindliche Schutzstrategie sein: „Weil ich nur geliebt wurde, weil ich ganz brav war oder ich meinen Eltern und Geschwistern geholfen habe, opfere ich mich immer für andere auf, damit ich das Gefühl erlange, geliebt zu werden.“
- Augenscheinliche Ängste und die damit verbundene Vermeidung von bestimmten Situationen
Dieser Schutzmechanismus kann in folgender Annahme begründet liegen: „Weil ich gelernt habe, dass nichts und niemand sicher ist, überprüfe ich alles 1000 Mal, damit mir nichts passiert.“
- Ein übertrieben großes Ego und die Wertung von anderen in Gut und Schlecht
„Weil ich gelernt habe, dass niemand mich versteht und sich keiner um meine Bedürfnisse kümmert, bin ich die/der Einzige, die/der die Situation richtig einschätzt. Alle anderen sind unfähig.“
- Sucht
„Weil ich gelernt habe, dass sich niemand mir zuwendet und um mich und mein Bedürfnis nach Trost und Halt kümmert, suche ich in der Sucht (Substanzen, Shopping, Beziehungen, Sport, Social Media) Zuwendung, Bestätigung und Trost.“
Die Variante, in der die Schutzstrategie vorliegt, ist demnach abhängig von der Ursache, die zu dieser geführt hat. Das Ausmaß, die Richtung und die Tiefe sind also so individuell, wie der Mensch und seine persönliche Biografie selbst. In der Auseinandersetzung mit Ihrem inneren Kind lernen Sie, diese zu erklären und anzunehmen.
Weil ich dies als Kind erlebt habe, habe ich gelernt, jene Schutzstrategie zu entwickeln. Nur mit dieser Strategie habe ich überlebt. Als Kind war die Strategie der bestmögliche Schutz, als Erwachsene brauche ich Sie nicht mehr.
Verhaltensmuster aufbrechen
Wenn Ihr inneres Kind heilt, können Sie beginnen zu spüren, welche Schutzstrategie Sie wirklich brauchen und in welchem Ausmaß. Es spricht nämlich nichts gegen Autonomie oder anderen helfen zu wollen. Auch Angst ist ein wichtiger Begleiter im Alltag und für Schutz wichtig. Genauso ist es notwendig, die eigene Meinung zu vertreten. Jedoch ist alles im Leben eine Frage des Gleichgewichts und des guten Grundes. All diese Dinge sind im richtigen Gleichgewicht im Leben herzlich willkommen. Nur Sie als erwachsener Mensch können spüren, ob das Gleichgewicht stimmt oder ob Ihre Verhaltensmuster dazu führen, dass Sie sich selbst daran hindern ein erfüllteres, gesünderes Leben zu führen. Wenn ja, dann wird es Zeit die Wunden zu heilen.
Heilung bedeutet dann: Ich brauche das Pflaster, das auf meiner Wunde klebt, nicht mehr. Dieses Pflaster abzunehmen, kann jedoch noch mal sehr schmerzhaft sein. Schutzstrategien loszulassen und noch nicht zu wissen, was dann eigentlich passiert, ist ein nächster essenzieller Schritt in der Inneren-Kind-Arbeit. Jetzt können Sie zu sich und damit zu Ihrem inneren Kind sagen:
- „Ich verstehe, dass mein inneres Kind so reagiert.“
- „Ich weiß jetzt, dass ich mich all die Zeit versucht habe zu schützen.“
- „Ich muss keine Angst mehr haben, ich habe das alles schon überstanden. Es ist vorbei.“
- „Jetzt mache ich es für uns beide anders.“
Sie beginnen damit auszuprobieren, was eigentlich passiert, wenn Sie die Strategie loslassen. Sie merken dann wahrscheinlich: Die alten Strategien möchte ich nicht mehr, aber die neuen Wege zu gehen, ist noch kein Selbstläufer. Es ruckelt und wackelt und manchmal erwischt man sich dabei, eine alte Abkürzung nehmen zu wollen, nur um wieder in der bekannten Sackgasse zu landen.
Denn Fakt ist: Sie haben diese Schutzstrategien Ihr Leben lang immer wieder wiederholt. Sie haben Sie in frühster Kindheit entwickelt und bis zum Punkt der Heilung optimiert. Das aufzugeben fühlt sich für eine Weile sehr schutzlos an. Deswegen ist das Entwickeln von neuen, guten Routinen und Werkzeugen ein wichtiger Teil im Heilungsprozess.
Alles was Sie gelernt haben, war für Ihr Überleben wichtig und wertvoll. Und es bleibt wertvoll, aber die Frage ist, was davon brauchen Sie wirklich noch und was dürfen Sie in Dankbarkeit loslassen.
„Loslassen kann vor allem auch Zulassen bedeuten. Zulassen, dass etwas Altes gehen darf und etwas Neues beginnt. Zulassen, dass damit gleichzeitig Schmerz und Erleichterung verbunden sein kann.“
(@gedanken_gaertnerin)
Im vierten Teil der Serie erfahren Sie, was nach dem Loslassen der Schutzstrategien passiert …
Lust auf mehr?
Familienaufstellung: Eine kraftvolle Methode zur persönlichen Entwicklung
Familienaufstellen ist eine therapeutische Methode, die Menschen hilft, tiefere Einsichten in ihre familiären Beziehungen und die damit verbundenen emotionalen Muster zu gewinnen. Diese Technik basiert auf der Annahme, dass wir oft unbewusst von
Beziehungs-Kompass Retreat – Ein Tag für deine Beziehungen
In der heutigen schnelllebigen Zeit ist es wichtiger denn je, sich einen Moment der Ruhe und Reflexion zu gönnen, besonders wenn es um unsere Beziehungen geht. Mein eintägiges Retreat „Beziehungs-Kompass“ bietet dir die
Zweimal 5 Tage im Schweigeseminar – Reflexion einer Selbsterfahrung Teil 2
Im Oktober 2022 hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit, 5 Tage in einem Schweigehotel zu verbringen. In der rauen, wunderschönen Umgebung der Nordsee erlebte ich, was in den raren Momenten passiert, in



