Im Oktober 2022 fuhr ich das erste Mal in meinem Leben in ein Schweigehotel. Vier Wochen später reiste ich noch einmal hin. Was mich dazu bewegte dorthin zu fahren, was mein Erleben vor Ort war und mit welchen Erkenntnissen ich zurück nach Hause gekommen bin – darüber möchte ich hier erzählen.

Warum ich in ein Schweigeseminar fuhr

Kein Internet, kein Smartphone, keine sonstigen elektronischen Geräte. Tatsächlich waren es genau diese Regularien, die mich davon überzeugten, mich im vergangenen Herbst in einem sogenannten Schweigehotel einzubuchen. Wunderschön in der rauen Natur der Nordsee gelegen, kann sich jeder Mensch vor Ort entscheiden, von der Möglichkeit des Nicht-Sprechens sowie des Nicht-Angesprochen-Werdens Gebrauch zu machen – oder nicht. Doch der Reiz meines Vorhabens lag weniger in der Möglichkeit des Schweigens selbst, sondern vielmehr in der Aussicht, meine Gedanken einmal zur Ruhe kommen zu lassen: Im Alltag bin ich immer mal wieder im Ablenkmodus unterwegs. Dann höre Podcasts, Musik und habe mich häufiger dabei erwischt, Zeit auf Social Media zu vertun.

Die Frage, was wohl in meinem Kopf so ganz ohne Ablenkung passieren würde, fand ich unwahrscheinlich spannend.

Zwar hatte ich mich nach einer langen Reise im Jahr 2019 bereits von meinem Fernseher getrennt, doch gleichzeitig gemerkt, dass sich die Gewohnheit des Ablenkens dadurch nur auf andere Medien verschoben hatte. Mein Ziel vor der Reise war es also, den ständigen Input einmal herunterzufahren und meiner Gedankenwelt Raum zu geben.

„Menschliches Verhalten wird nicht von Bedingungen diktiert, die der Mensch antrifft, sondern von Entscheidungen, die er selbst trifft.”

— Viktor Frankl

Gedanken an die Vergangenheit, Gedanken an Zukunftsperspektiven

Ich fuhr mit großen Hoffnungen und Herzklopfen los. Für die Autofahrt zum Schweigeseminar hatte ich mich bereits gegen die Verwendung jeglicher Technik entschieden: Ohne Handy, Navi und Radio, dafür ausgestattet mit einer Landkarte fuhr ich an die Küste und empfand dabei die Geräusche des Autos als sehr beruhigend. Im Hotel angekommen, erhielt ich eine Einweisung und entschied mich spontan sofort dafür, den Aufenthalt schweigend zu verbringen. Ich bekam eine rote Schärpe, so wie üblich, die allen Mitmenschen signalisiert: Ich möchte nicht angesprochen werden und auch nicht sprechen. Vor Ort gefiel es mir ab Minute eins: Es gab eine wunderschöne Bibliothek, von meinem Zimmer aus hatte ich einen Blick auf das Meer, alle Mahlzeiten wurden zusammen an großen Tafeln eingenommen. Wer mochte, konnte an den Meditationen teilnehmen, die mehrmals am Tag angeboten wurden.

Ab Tag eins fing ich an zu lesen. Das Buch “Jetzt ” von Eckhart Tolle, das ich dabeihatte, stellte sich als perfekter Wegbegleiter heraus und rührte etwas tief in meinem Inneren an. Es wird darin erklärt, dass ein Teil unseres Selbst uns davon abhält zu spüren: Zu spüren, wer wir wirklich sind und dass wir mit allem und allen verbunden sind. Dieser Teil in uns ist immer dann aktiv, wenn wir uns mit Zukunftsperspektiven beschäftigen oder gedanklich sehr in der Vergangenheit hängen. Denn dies hält uns davon ab, bewusst im Hier und Jetzt zu sein.

Mit Eckhart Tolles Worten im Bewusstsein ging ich an den Nachmittagen spazieren und stellte fest: Tatsächlich war ich gedanklich nur selten im Hier und Jetzt. Anstatt zum Beispiel den wunderschönen Sonnenuntergang über dem Meer auf mich wirken zu lassen, erwischte ich mich dabei, dass meine Gedanken um meine Vergangenheit oder meine Zukunft kreisten.

Wer will ich eigentlich sein? Wen oder was wünsche ich mir in mein Leben? Wie es wohl dem Hund zu Hause geht? Und welche Freunde sehe ich wann, sobald ich zurück in Magdeburg bin?

Im Hier und Jetzt ankommen

Doch wie richte ich meinen Fokus auf das, was gerade ist? Wie bleibe ich im Moment und bei mir? Und was passiert dann? Das Buch riet, immer wieder in sich reinzuhören und die Richtung der Gedanken bewusst wahrzunehmen. Schweigend und ohne jegliche Ablenkung durch Technik verbrachte ich meine Tage im Retreat zunächst vor allem damit zu beobachten, wie mein Kopf dem Hier und Jetzt auswich. Immer wieder stellte ich fest: Ahh, ich habe gerade über meine Zukunft nachgedacht, anscheinend habe ich diese und jene Erwartung. Oder: Gerade sind meine Gedanken wieder in die Vergangenheit abgeschweift, weil ich dieses oder jenes damals erlebt habe.

Die ersehnte Erholung von meinen Gedanken erlebte ich während der Meditationen. In diesen Momenten der Ruhe nahm ich plötzlich sehr bewusst meinen Körper wahr. Ich spürte, dass mir der Magen weh tat und stellte überrascht fest, dass ich bereits seit Tagen Magenschmerzen hatte. Dass nun, da ich darüber nachdachte, tatsächlich mein gesamter Körper Alarm schlug. Angesichts dieses Bewusstseins war es besonders schwer, im Moment zu bleiben. Statt den aufkommenden Zukunftsfragen (Muss ich zum Arzt? Wird es schlimmer?) nachzuhängen, versuchte ich mich auf das Spüren zu konzentrieren: Ah, interessant. Mein Bauch tut weh. Meine Leber und Galle auch. Ah, ich fühle mich wütend. Tatsächlich bin ich schon sehr lange wütend über dieses eine Thema.

„Wahres Glück liegt darin, sich selbst anzunehmen und mit sich selbst in Kontakt zu kommen.”

— Carl R. Rogers

Je öfter ich über den Verlauf der 5 Tage meinen Körper bewusst wahrnahm, desto schneller konnte ich die Gefühle, die in mir hochkamen, erkennen – und dann loslassen. Auf diese Weise durchlebte ich große Gefühle von Wut und Traurigkeit. Und ich wurde mit jedem Tag ruhiger. Wenn auch körperlich angestrengt, fühlte ich am Ende meines Aufenthalts vor allem eins: inneren Frieden. Und ich wollte nicht mehr weg.

Im 2. Teil berichte ich von meiner Heimkehr und meinem zweiten Besuch im Schweigehotel 4 Wochen später.

Ihre Manja Neundorf

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