Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit und die Fertigkeit, etwas zu lernen und Probleme zu lösen.
Systemisches Coaching orientiert sich an den Ressourcen des Coachees und zielt darauf ab, diese zu stärken und neue Ressourcen zu aktivieren. Die Lösung eines Problems liegt immer beim Coachee.

Ich höre in fast jedem Coaching-Prozess an einer Stelle den Satz: „Ich kann das nicht.“ Und meine liebevolle, aber bestimmte Antwort darauf ist immer: „Sie können das noch nicht.“ In einem Coaching geht es um Ihren persönlichen Lernprozess. Aber wie funktioniert das Lernen in diesem Fall eigentlich?

Wie funktioniert der Lernprozess im systemischen Coaching?

Schritt 1: Bewusstmachen – Was einfach klingt, ist im Lern-/Coaching-Prozess kein einfacher Schritt. Inzwischen gibt es gesellschaftlich unzählige Möglichkeiten, sich davon abzulenken, Gefühle oder Empfindungen wahrzunehmen: Der Konsum von verschiedensten Medien zur Ablenkung, der ständige Austausch über die neuen Kommunikationswege, tolle neue Hobbys, die über Foto, Video oder Tracking-Apps dokumentiert werden. Reale Begegnungen hingegen werden seltener. Inzwischen ist eine der schwierigsten Fragen, die ich meinen Coachees stelle: „Wie haben Sie sich gefühlt?“ Im ersten Schritt ist es also wichtig, sich bewusst zu machen, was Sie fühlen.

An einem Beispiel: Sie möchten eine Streitsituation lösen, aber die Fronten sind verhärtet. Sie können genau erklären, was ihr Gegenüber falsch gemacht hat. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und fragen Sie sich: Wie habe ich mich gefühlt, als der Streit eskaliert ist? Versuchen Sie auf die Situation zu schauen und fragen Sie sich: Was hat dieses Gefühl ausgelöst und wie bin ich mit dem negativen Gefühl dann umgegangen? Betrachten Sie mal ganz bewusst nur sich!

Schritt 2: (Er)Kennen – Wenn Sie sich immer wieder bewusst machen, was Sie fühlen, werden Sie im zweiten Schritt erkennen, dass sich Situationen und die dann entstehenden Gefühle wiederholen und dass es bestimmte Auslöser (Trigger) für diese Gefühle gibt. Sie werden dann auch erkennen, wie Sie mit diesen Gefühlen umgehen und wie Sie reagieren. Umso häufiger Sie diese Zusammenhänge erkennen, umso besser kennen Sie sich. Aus meiner Erfahrung als Coach kann keine Veränderung langfristig funktionieren, wenn Sie Schritt 1 und 2 zu selten ehrlich mit sich üben oder sie gar überspringen wollen.

Schritt 3: Analysieren – In diesem Schritt geht es nun darum, den stichhaltigen Grund Ihres Verhaltens zu erforschen und anzuerkennen. Nach und nach wird Ihnen logisch erscheinen, warum Sie wie reagieren und warum Sie sich wann getriggert fühlen. Sie werden in dieser Phase viele Aha-Momente erleben und Ihnen wird klar werden, was und wer Sie wie geprägt hat. Was Sie gelernt haben und welches Verhalten Sie nutzen, um eines Ihrer Bedürfnisse zu befriedigen. Es gibt verschiedene Definitionen unserer Grundbedürfnisse, aber die folgenden vier Bedürfnisse erklären häufig unser Verhalten:

  1. Bedürfnis nach Bindung
  2. Bedürfnis nach Kontrolle
  3. Bedürfnis unseren Selbstwert zu stabilisieren
  4. Bedürfnis ungute Gefühle zu vermeiden

Diese Bedürfnisse hängen oft eng zusammen und Sie müssen herausfinden, auf welche Art und Weise Sie sich diese Bedürfnisse erfüllen. Tun Sie das konstruktiv oder destruktiv?

An dem Beispiel der Streitsituation erklärt, sorgt das Bedürfnis nach Kontrolle und Vermeidung unguter Gefühle häufig dazu, dass Sie nicht mehr mit Ihrem Gegenüber sprechen. Aus Angst, dass Ihr Selbstwert verletzt werden könnte, suchen und finden Sie treffsicher die Fehler des anderen und im ungünstigen Fall sorgt Ihr Bedürfnis nach Bindung dafür, dass Sie von Ihrem Gegenüber enttäuscht sind, dass sie / er nicht den ersten Schritt macht. Diese destruktiven Verhaltensweisen in einer Streitsituation wirken häufig kindlich, weil Sie in unserer Kindheit Ihren Ursprung haben. Unsere Prägung entsteht in unserer Kindheit und die nicht erfüllten Bedürfnisse nehmen Sie mit in Ihr erwachsenes Leben.

Sie dürfen sich Ihre Bedürfnisse klarmachen und verstehen, dass am Ende Sie dafür verantwortlich sind, diese Bedürfnisse auf eine konstruktive Art und Weise zu befriedigen. Es sind Ihre Bedürfnisse und als erwachsener Mensch sind Sie dafür verantwortlich herauszufinden, was Sie brauchen, um konstruktiv mit Ihren Wünschen umzugehen. Nicht selten bedeutet dies, dass Sie eine Verbindung zu Ihrem inneren Kind finden, um diesem Kind dabei zu helfen, die nicht erfüllten Bedürfnisse zu befriedigen.

Schritt 4: Ausprobieren & trainieren – In dieser Lernphase brauchen Sie drei wichtige Dinge: erstens Geduld, zweitens Mut Neues zu probieren und drittens einen positiven Blick auf sich selbst. Etwas Neues zu lernen, ist nicht einfach, vor allem, wenn Sie dafür etwas verlernen müssen, dass viele Jahre augenscheinlich super gut funktioniert hat.

Ich arbeitete vor kurzem mit einer Coachee, die sehr mit ihrem Essverhalten kämpft. Essen war über viele Jahre verbunden mit Unsicherheiten, Ängsten, Trost und damit, sich etwas Gutes zu tun. Nach 8 Wochen und 3 Coaching-Sitzungen erzählte Sie mir, wie viel sich gerade verändert und welche positiven Schritte zu sehen sind. Und trotzdem war Sie wütend auf sich selbst, dass Sie sich nun nicht ausschließlich glücklich fühlte und Rückfälle erlitt. Veränderung und Lernen sind ein Prozess und er gelingt nicht über Nacht. Selten entsteht eine ungute Lebenssituation über Nacht und sie wird sich auch nicht über Nacht auflösen. Geben Sie sich Zeit. Sie müssen mutig sein und viele Dinge probieren, die Sie vorher nicht gemacht haben und es ist o.k., wenn nicht alles sofort klappt. Wenn Essen Trost ist, dann müssen Sie diese Tatsache, die Ihnen über viele Jahre eine große Stütze war, verlernen und eine neue Tatsache für sich schaffen. Das ist wie mit echten realen Freundschaften, die sich irgendwie Freundschaft gut anfühlt, aber dann gibt es zunehmend unangenehme Situationen und Sie entfernen sich Stück für Stück. Ihre Freundinnen und Freunde würden Sie wahrscheinlich auch nicht über Nacht in die Wüste schicken, und so ist es auch mit ungünstigem Verhalten.

Verpassen Sie nicht Ihre Fortschritte zu feiern und stolz auf sich zu sein, denn das wird Sie motivieren, dran zu bleiben. Gestehen Sie sich zu, dass Sie, wenn Sie etwas verändern, der einzige Mensch auf der Welt sind, der das kann, denn Sie sind die Veränderung.

Schritt 5: Umsetzen – Zum Schluss des Lernprozesses kommt die Umsetzung und das Verankern von neuen Verhaltensmustern. Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Zuerst die schlechte: Schritt 5 wird begleitet von Schritt 1 Bewusstmachen, denn jede Veränderung Ihrerseits führt zu Veränderungen bei Menschen in Ihrer Umgebung. Das Leben ist ein Lernprozess und so wie das Leben erst mit dem Tod endet, endet auch unsere Fähigkeit etwas Neues zu lernen, zu probieren und im Leben zu verankern erst ganz am Ende. Und jetzt die gute: Wenn Sie etwas Gelerntes umsetzen und die Veränderung spüren, dann sind Freude und Stolz damit eng verbunden. Konfuzius sagt: „Etwas lernen und mit der Zeit darin immer geübter werden, ist eine Freude an sich.“

Hören Sie auf mit: „Ich kann das nicht“ und beginnen Sie mit: „Ich kann das noch nicht – wie komme ich also dahin, dass ich es kann?“

Und wenn Sie in Ihrem Veränderungsprozess eine Lotsin brauchen, nehmen Sie gern Kontakt zu mir auf.

Ihre Manja Neundorf

Sind Sie bereit für den ersten Schritt Ihrer Veränderung?
Ich freue mich darauf, Sie zu begleiten.

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